Vor vielen Jahren war ein Casino-Besuch noch etwas exclusives
Ins Reich der grünen filzbespannten Tische, bunt schillernden Jetons und rotierenden Roulette-Kessel führt in Europa kein Weg an der Rezeption vorbei. Ohne einige Formalitäten darf niemand gewinnen oder verlieren. »Das erste Kriterium einer Spielbank ist die Rezeption. Denn hier werden Stimmung und Laune des Gastes beeinflusst«, urteilt das Fach-Magazin »Roulette«.
Die erste Voraussetzung für einen »Abend voller Charme und Chancen«, wie ihn ein Werbespruch der Österreichischen Spielbanken verheißt: Ein gültiger Personalausweis oder ein Reisepass.
Der Führerschein wird in Deutschland nur in Ausnahmefällen akzeptiert. Aber unter keinen Umständen beim ersten Besuch.
Grosse Datenbanken mit den Daten der Besucher
Beim ersten Rendezvous mit den Illusionen legen die meisten Spielbanken über den Gast eine Karteikarte an. Darauf werden Name, Beruf, Wohnort und Geburtsdatum des künftigen Glücksritters oder Pechvogels eingetragen. In der Bundesrepublik führen lediglich die sechs Casinos im Bundesland Niedersachsen keine Besucherkartei. In Bad Wiessee (52 km von München entfernt) hingegen lagern in Eisenschränken rund 650000 Personalien, in Baden bei Wien um die 90 000. “Wir misten ständig aus. Ein Ausländer beispielsweise, der einmal da war und innerhalb von zwei Jahren nicht wiederkommt, fliegt raus”, beschreibt Generaldirektor Dr. Leo Wallner die Praxis.
Travemünde, direkt am Ostsee-Strand, bedient sich als erstes bundesdeutsches Casino beim »Check in« der elektronischen Datenverarbeitung. In Scheveningen (bei Den Haag) an der Nordseeküste sitzen hübsche Mädchen in roter Uniform an sechs Bildschirm-Terminals.
Spielbanken und Casinos tasuchen sich aus
Auch die beiden anderen »Holland-Casinos« in Valkenburg und Zandvoort registrieren ihre Gäste im Computer. Die Österreichischen Spielbanken stellen ihre Abfertigung auf EDV um.
Aber noch überwiegt die althergebrachte Kontrolle per Karteikarte. Darauf muss der Gast unterschreiben, dass er finanziell in der Lage ist, zum Duell mit dem Zufall anzutreten. Sich also in »geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen befindet«. Das Blatt enthält in der Bundesrepublik einen weiteren Passus, den das Datenschutzgesetz vorschreibt: »Ich bin im Falle einer Sperre damit einverstanden, dass sie anderen Spielbanken mitgeteilt wird.«
Früher musste man über genügend Einkommen verfügen um zu spielen
Der Empfang, das Bremshäuschen des Glücks. Niemand hat einen Rechtsanspruch auf Nervenkitzel und die Illusion vom schnellen Geld. Denn das Casino kann jedermann den Eintritt verwehren. Ohne Angabe von Gründen. Die Spielordnung der bayerischen Casinos Bad Kissingen, Bad Reichenhall, Bad Wiessee und Garmisch-Partenkirchen nimmt bedürftigen Menschen jede Chance, sich mit einem Schlag aller finanziellen Sorgen zu entledigen: »Vom Besuch der Spielsäle sind alle Personen ausgeschlossen, die Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz in seiner jeweils gültigen Fassung beziehen.«
Die Spielbank des pfälzischen Kur- und Weinstädtchens Bad Dürkheim, 25 bis 30 Kilometer von Mannheim, Ludwigshafen und Kaiserslautern entfernt, preist sich als »gastlich-heiteres Freizeit- und Feierabendziel «. Sie gewährt jedoch Arbeitslosen, Arbeitern und Studenten keine »Entspannung beim Spiel in einer Atmosphäre ungezwungener Lebensart«. In dem Prospekt »Wissenwertes für den Gast« heißt es: »Zugelassen sind die Angehörigen freier Berufe, selbständige Kaufleute, Gewerbetreibende, Beamte und Angestellte in entsprechenden Einkommensverhältnissen«.
Glücksspiel erst ab 18
In Baden-Baden dürfen sich Beamte vom Slogan »Willkommen im schönsten Casino der Welt!« nur dann angesprochen fühlen, wenn sie eine Genehmigung ihrer Dienststelle vorweisen können. Studenten will man auch hier jede Ablenkung vom Lernen ersparen. Erstbesucher der Spielbank Saarbrücken müssen schriftlich bestätigen, dass sie über mindestens 1500 Mark Einkommen oder ein entsprechendes Vermögen verfügen. »Es bleibt dabei offen, ob bei den 1500 Mark das Monats- oder Jahreseinkommen gemeint ist«, sinnierte das Fachblatt »Roulette«.
Oberregierungsrat Ernst Brix von den Bayerischen Spielbanken: »Je korrekter der Empfang abläuft, desto mehr Vertrauen kann der Gast in den ordnungsgemäßen Spielbetrieb setzen«. Die Rezeption, Schutz und Hürde zugleich. Um überhaupt in die Spielerkartei aufgenommen zu werden, zählt jedoch zunächst das Alter. Dabei gelten in der Bundesrepublik Deutschland unterschiedliche Regelungen: Ein Teil der deutschen Casinos erlaubt jungen Leuten ab 18 Jahren die Begegnung mit dem Zufall. Etwa Bad Aachen, Bad Bentheim, Bad Harzburg, Bad Zwischenahn, Borkum, Hamburg, Hittfeld und Saarbrücken.
In den vier bayerischen Staatsbetrieben, in Bad Homburg, Bad Neuenahr, Baden-Baden, Berlin, Konstanz, Lindau und Wiesbaden beträgt das Mindestalter 21 Jahre. »Damit ist die Reife weiter fortgeschritten und nach dem Gesetz die volle Strafmündigkeit gegeben. Glücksspiel, ausgenommen in öffentlichen Spielbanken, steht ja unter Strafe«, erklärt Oberregierungsrat Brix, seit 1959 im Casino-Business. Für Eheleute gibt es Ausnahmen: Ein Gast unter 21 darf in Begleitung seines älteren Ehepartners Jetons platzieren. Diese Gleichberechtigung der Geschlechter wird aber
noch nicht in jedem deutschen Casino-Ort akzeptiert.
Das Residenzverbot soll die eigene Bevölkerung schützen
In Baden-Baden, wo die Rezeption pro Jahr rund 500000 Gästekarten ausstellt, muss der Mann über 21 sein. Der Ehefrau unter 21 verbietet das Casino jede Aktivität an den 38 Spieltischen. Sie darf dem Gatten beim Kampf um Fortunas Gunst zusehen, aber nicht selbst setzen. Die nordbadische Stadt am Nordwestrand des Schwarzwaldes gehört noch zu jenen Casino-Gemeinden, die ihrer Bevölkerung strikte Enthaltsamkeit auferlegen.
Und auch den Menschen, die im Umkreis von 15 Kilometern leben. In der Amtssprache nennt man das Residenzverbot. In Baden-Baden benötigen Einheimische eine schriftliche Genehmigung des Oberbürgermeisters, damit sich für sie das Roulette-Rad dreht. Auch in Bad Neuenahr (Rheinland Pfalz) existiert eine Bannmeile. Deren Radius beträgt fünf Kilometer vom Casino-Gebäude. Die Stadtverwaltung erteilt allerdings Einheimischen Sondergenehmigungen fürs »Zocken«.
Casinonahe Bürger dürfen nur an Automaten spielen
Wer in Bad Homburg seinen Hauptwohnsitz hat, muss mit dem »Kleinen Spiel« vorlieb nehmen. Der Bürgermeister besitzt jedoch das Privileg, seinen Wählern Ehrenkarten für Roulette, Blackjack und Baccara auszustellen: »Wenn für diese Personen im Zusammenhang mit ihrem Beruf oder ihrer Stellung im öffentlichen Leben ein besonderes Bedürfnis zum Besuch der Spielbank anzuerkennen ist«, verfügte der hessische Innenminister. Die Regierung von Oberbayern überlässt es dem Direktor der Spielbank, Extrawürste unter den Ortsansässigen zu vergeben: »An Personen, die auf Grund ihrer beruflichen oder sozialen Stellung ein berechtigtes Interesse nachweisen« – für Kugel und Karten. Wie in Bad Homburg dürfen auch die Bürger von Bad Reichenhall, Bad Wiessee und Garmisch-Partenkirchen jederzeit ihr Glück an Automaten versuchen.
Oft entscheidet der Casino-Direktor
Im Residenzverbot liegt auch das uneingestandene Bekenntnis, dass Casinos den Menschen ruinieren (können). Oder? Diese Bestimmung wurzelt in der Sorge, den eigenen Bürger vom Bettelstab fernzuhalten und dem Stadtsäckel Sozialhilfe für »Abgestürzte« zu ersparen. In Österreich haben Einheimische im Prinzip keine Probleme, »ihr« Casino zu besuchen. »Wenn sie dadurch ihre Angehörigen oder Arbeitgeber nicht sozial gefährden oder beeinträchtigen«, lautet die Einschränkung. Aber auch die elf Glücks-Oasen der Alpenrepublik (Motto: »Spielend gut gelaunt«) achten auf »vollendetes 21. Lebensjahr«. Punkt 10. a) der Besuchs- und Spielordnung lässt den »Casinos Austria« viel Spielraum, die Roulette-Wut einzubremsen: »Die Direktion der Gesellschaft hat das
Recht, ohne Angabe von Gründen jede Person vom Besuch der Spielbetriebe auszuschließen oder deren Besuch einzuschränken.«
Kein Zutritt im in das Casino von Monte Carlo für Monegassen
Von der Tradition Monte Carlos blieb das Residenzverbot. Bis heute ist jedem monegassischen Bürger der Zutritt zum Casino versagt.
Genauso im Land von Puszta, Piroska und Paprika: Die Casinos von Budapest und Heviz sind für Ungarn und die Bürger sozialistischer Staaten tabu. Als Ausländer-Reservat präsentiert sich auch der Lebend-Spielbereich im Hilton-Hotel von Istanbul.
Zugelassen sind nur jene Türken, die einen ausländischen Wohnsitz und ein jährliches Mindesteinkommen von 20 000 US-Dollar in ausländischer Währung nachweisen können. An den 90 Automaten darf sich auch jeder Türke vergnügen.