Damalige Rekorde im Casino-Berich
Deutschlands größtes Casino, zugleich eines der ältesten der Welt: Baden-Baden mit dem Flair der Belle Epoque. In Zahlen drückt sich das so aus: 200 Jahre Tradition, 350 Mitarbeiter, 500000 Besucher im Jahre 1984 und 60 Millionen Mark Bruttospielergebnis. Nirgendwo anders in Europa glänzt noch ein Roulette-Tisch aus purem Gold. An diesem Unikat wird mit echten Gold- und Silber-Jetons gespielt. Das goldene Buch entspricht einem »Who is who« der internationalen Gesellschaft. Es fehlen nur wenige große Namen – etwa Herbert von Karajan. Dafür haben sich Herzverpflanzer Dr. Christiaan Barnard, Marlene Dietrich, Filmstar Kirk Douglas, König Hussein von Jordanien, König Juan Carlos von Spanien, Anneliese Rothenberger und Autor Thornton Wilder verewigt.
Grosse Gewinne
Der grösste Gewinner in Baden-Baden war der Salpeter-Fabrikant Richard Jost-Lamberg aus Santiago de Chile. Der damals 70 jährige Glatzkopf bereicherte sich zwischen 24. und 29. September 1980 beim Roulette um rund drei Millionen Mark. Deutschlands kleinstes Ganz-Jahres-Casino: Westerland auf Sylt. Der Betrieb, unmittelbar neben dem Rathaus, demonstriert an sechs Roulette- und zwei Black Jack-Tischen die Launen des Schicksals. Der Bruttospielertrag beläuft sich auf fünf Millionen Mark. Am 28. Juli 1979 geriet das freundliche Insel-Casino in finanzielle Nöte: Ein Gast sahnte 111 000 Mark ab und »sprengte« damit die Bank. Deutschlands schönste Spielbank-Toilette – dieses Prädikat gebührt dem »stillen Örtchen« im neunten Stock des Hamburger Hotels Intercontinental. »Wer sich dort erleichtert, hat allerfeinsten Alsterblick«, empfanden Reporter der Illustrierten »Quick« im März 1982.
Der peinlichste und unappetitlichste Vorfall in Bad Wiessee: Der Antiquitätenhändler Oskar L. gab in einem Wutanfall mitten im Spielsaal dem Druck seiner Blase nach. Er wurde deswegen für kurze Zeit gesperrt. Die längste Bar-Theke Berlins gehört zur Glücks-Oase im Europa-Center. Sie verfügt über 50 Plätze. Den größten Parkplatz besitzt Saarbrücken, eine der kleinsten Spielbanken. Im Ludwigspark, unmittelbar an der Saarland-Halle, gibt es rund tausend kostenlose Abstellplätze. Deutschlands größter Automaten-Saal etablierte sich in Ammerland, zwischen Wald, Wiesen und Feldern: In Bad Zwischenahn stehen 150 Glücksspielgeräte. Mindesteinsatz eine Mark. Star-Komiker Didi Hallervorden (»Nonstop Nonsens«) schnitt seine Grimassen und
durchschnitt zum Opening der über 300 Quadratmeter großen Halle die rote Schleife.
Hoher Gewinn in einer Minute
Den bisher höchsten Treffer erzielte mit 489 211 Mark ein gerade arbeitsloser Bauingenieur Anfang 1985, in der Rekordzeit von knapp einer Minute: Er kam, fütterte den »einarmigen Banditen« mit drei Mark und erwischte gleich bei seinem ersten Versuch den »SuperJackpot«, den sieben zusammengekoppelte Maschinen hochpäppeln. Der größte Spielautomat der Welt heißt »Super Bertha«, ist 1,80 m hoch, drei Meter lang, in Reno beheimatet. Ein Elektromotor treibt die gefräßige Lady an. Wer sich ihr anvertraut, verjubelt die Münzen mit der Aussicht auf eine Million Dollar.
Die Zocker-Metropole der Welt: Natürlich Las Vegas, erblüht aus der großen Depression Anfang der dreißiger Jahre. »Was du daheim nicht tun darfst, tue es in Las Vegas«, steigen jährlich rund 13 Millionen Besucher, zu 90 Prozent Weiße, ins Karussell der Sehnsüchte. Früher durften Farbige im »Sündenbabel« nicht spielen und in keiner Luxusherberge absteigen.
Der Strip, die 5,6 Kilometer lange Hauptstraße, wird als die »heißeste Meile der Welt« gehandelt. Vier Millionen Glühbirnen erleuchten die Glimmerwelt, die 24 Geschäftsstunden hat und die Prostitution duldet. Aneinandergereiht ergäben die Neonröhren des Glitzer-Mekkas eine Strecke von 200 Kilometern. Der Stromverbrauch eines einzigen Luxushotels würde den Bedarf einer Stadt mit 60 000 Einwohnern decken. Jeder Bewohner von Las Vegas benötigt, statistisch gerechnet, sechsmal so viel Energie wie ein Bürger von New York.
Buntes Las Vegas
Die Polizei mußte ihre Streifenwagen mit Doppel-Rotlicht ausrüsten, um nach Sonnenuntergang überhaupt bemerkt zu werden. Die Amüsier-Oase (45 000 Hotelbetten) und ihre Showrooms verdanken ihren verschwenderischen, ordinär-bunten Glanz dem Colorado River und dem Hoover-Damm (1935 errichtet). Die über 100 Spielpaläste verkaufen pro Jahr für zwei Milliarden Dollar Illusionen an 1650 Casino-Tischen, bei 92 Keno-Spielen (Lotto im Minutentakt) und mit 371000 Automaten. Stars wie Liza Minelli, Liberace, Harry Belafonte, Sammy Davis jr., Tom Jones, Paul Anka, Frank Sinatra und Dean Martin kassieren bis zu einer Million Mark Wochengage. Obwohl Insider behaupten, viele Gesangskünstler würden sich umsonst anstrengen und ihre Spielschulden abträllern. »Die Helden des Showgeschäfts sind nicht müde, schlimmer noch, sie sind alt geworden. Die Show der Veteranen benötigte dringend frisches Blut, das aber strömt aus den mannigfaltigsten Gründen an Las Vegas vorbei. Bette Midlers explosive Vulgarität wirkte am Strip natürlich wie eine saure Gurke auf dem Grund eines Honigtopfs und fand verständlicherweise keine Gourmets.
Die Streisand wiederum mag nicht in LasVegas sein, andere wieder wie Billy Joel und Neil Diamond geben lieber Konzerte. Man versteht es: Wo man den Glitzer-Opa Liberace mit Selbstverständlichkeit zum >Mr. Showmanship< und nicht zum Weihnachtsmann krönt, sehen eigenwilligere, frische Talente für ihr Können keinen Platz«, umriss der bekannte Kritiker Klaus Geitel in der Tageszeitung »Die Welt« sehr treffend, wie den Revuetheatern allmählich die Puste ausgeht. Neuneinhalb von zehn Besuchern verlassen Las Vegas als Verlierer. Wem es nach verbrieftem Glück gelüstet, findet 25 Kapellen mit Neon-Engeln und Plastikblumen. Eine Eheschließung kostet um die 80 Dollar, inklusive Hochzeitsmarsch vom Tonband und zehn Minuten Predigt. Für diesen Preis, so werben Rechtsanwälte in der »Las Vegas Sun«, können Paare ebenso schnell und formlos auch eine einvernehmliche Scheidung haben. Auf dem Rummelplatz der Superlative werden jährlich rund 20000 Blitz-Ehen geschlossen.
Die Stadt der Illusionen
Wo man auf diesem verrückten, permanenten Casino-Oktoberfest gewinnt? Die Konkurrenz der Volksspiel-Zelte zaubert erlesene Champagner-Büffets für wenig Geld hervor. Ab drei Dollar können Strip-Bummler Hummer, Prime-Ribs, Shrimps, Lamm und Huhn schlemmen.
Die Journalistin Manuela Müller vergleicht im FrauenMagazin »Cosmopolitan« Las Vegas mit einer Hure, die Milliarden macht: »Wer einmal dort war, verfällt dieser Dirne, doch keiner möchte sein Leben mit ihr teilen. Sie ist die Königin der Nutten, grell geschminkt, laut, kostspielig, freizügig, manchmal sogar freigebig. Selbst im feinen Seidenkleid, in Plüsch und Pleureusen, mit Lüstern und Kristall behangen, wirkt sie herrlich ordinär. Für Geld kann sie jeder haben, und auch dem, der knausrig ist, hilft sie mühelos auf die Sprünge, sein Glück mit ihr zu versuchen. Selbst wer seinen allerletzten Pfennig bei ihr lässt, fühlt sich nachher nicht betrogen. Las Vegas verspricht nichts und hält alles – die Stadt ist das Zuhause der Illusion«.
Deutschlands bekanntester Casino-Teilhaber: der Fernseh-Liebling Hans Rosenthal. Dem »Dalli-Dalli«Showmaster gehören von der Spielbank Berlin einige bescheidene Prozente. Die sind trotzdem Spitze für ihn. Einer kuriosen Konstellation verdankt das Maison de jeu in Lindau seine Existenz. Die Inselstadt am Bodensee und ihr Landkreis waren nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Besatzungsverhältnisse von Bayern abgetrennt und somit ein selbständiges Land. Der Luftkurort im Dreiländereck diente den französischen Streitkräften als Übergang zwischen ihren Zonen in Südwürttemberg und Tirol. Deshalb genügte schon der Wille der Gemeindegewaltigen, die Konzession fürs »Narrenhäusle« (so ein Vertreter der protestantischen Kirche) zu billigen. Das erste und heute einzige private Casino Bayerns, eröffnet am 22. April 1950, entstand in nur 22 Tagen aus Fertigbauteilen. Die Backsteinmauern mit den hohen Fenstern und schlanken Säulen waren ausdrücklich als Provisorium deklariert. Darüber informierte auch am Eingang eine Gedenktafel, die nach 20 Jahren entfernt wurde. Die befristete Unterkunft hält sich als Dauer-Domizil.
Zunächst musste die Spielbank nur an Lindau ihre Abgaben entrichten. Die Stadt schuf aus den Steuererträgen ihr Theater mit 800 Plätzen.
Casino-Kindergarten
Der höchste Tagesverlust aus der jüngeren Roulette-Geschichte: Der römische Baulöwe Gaetano Caltagirone verzockte in einer Nacht über 5,5 Millionen Mark. Ein einzigartiges Casino schlossen verblüffte Polizistenin Mar de Plata, 400 Kilometer südlich der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires: In der exquisiten Gesellschaft befand sich kein Zocker, der älter als 14 Jahre gewesen wäre. Das Unternehmen berücksichtigte bei der Einrichtung die besonderen Bedürfnisse seiner Klientel. Die Mädchen und Jungen ab acht Jahren vergnügten sich ohne Mühe an verkleinerten Roulette- und Billardtischen, speziell ihren Körpermaßen angepasst. Sie weinten jämmerlich, als die Beamten ihr begeistertes Treiben störten. »Die Kinder heulten, als hätten wir ihr liebstes Spielzeug geraubt«, schildert der Einsatzleiter und schüttelt den Kopf: »Die Kleinen entpuppten sich als Roulette-Profis, von denen so mancher Berufsspieler dazulernen könnte«.
Alicia Echevarria Gahrgang 1945), die Besitzerin des Casino-»Kindergartens«, verstand die Aufregung nicht: »Es geschah nichts Böses. An der Bar wurde kein Tropfen Alkohol ausgeschenkt«. Die Dame hatte den Junioren-Salon in ihrem Privathaus betrieben. Der Youngster-Club unterschied sich, von Drinks und Maßstäben abgesehen, kaum vom Casino des Seebades. Jedes Kind zahlte Eintritt und extra eine Benützungsgebühr fürs Billard.
Die raffinierteste Verbrecherin von Atlantic City, die insgesamt 180 000 Mark erbeutete, war bei ihrer Verhaftung 22 Jahre jung. Sie geht als »küssende Banditin« in die Kriminalgeschichte der Glücksspielstadt ein. Die Luxusdirne spähte nach Gewinnern, lockte die Glücksritter an ein lauschiges Plätzchen. Ihre leidenschaftlichen Küsse wirkten allerdings anders als es die erfreuten Herren erwarteten. Die Männer schliefen sofort ein. Denn das Mädchen schob ihnen beim Mund-zu-Mund-Kontakt eine Betäubungsdroge über die Lippen.
Dann erleichterte die Räuberin ihre wehrlosen Opfer um Geld und Schmuck. »Wir konnten nicht klären, wie die Täterin sich schützte und das starke Betäubungsmittel in ihrem eigenen Mund keine Narkose auslöste«, beteuert ein Polizei-Sprecher. So unerklärlich scheint der Trick nicht zu sein. Denn in Atlantic City eifern inzwischen mehrere Frauen der »küssenden Banditin« nach und machen sexbereite Casanovas müde.
Keine Standesunterschiede bei der Casino-Kriminalität bestehen im Zocker-Arsenal des US-Bundesstaates New Jersey. So vertauschte auch der frühere Bürgermeister von Atlantic City, Michael Matthews, die wohltemperierte Air-Condition mit »gesiebter« Luft. Der Kommunalpolitiker wurde zu 15 Jahren Haft verurteilt, weil er sich für 10 000 Dollar bestechen ließ. Der Geschäftsmann, der städtisches Bauland für ein neues Casino günstig erwerben wollte, war ein getarnter Polizeiagent. Pech für den korrupten Mr. Matthews.
Roulette und Briefe
Der flinkeste Spieler bekam in Salzburg von den Croupiers den Spitznamen »Nurmi«. Er erschien in den 50er Jahren zum Roulette nie ohne einige Briefumschläge, die er schon vorher an sich selbst adressiert hatte. Lief das Spiel günstig für ihn, tauschte der Mann Jetons in Bargeld um, steckte die überschüssigen Scheine ins Kuvert. Das Original raste mit seinem gewonnenen Ertrag,
wie der finnische Wunder-Athlet Paavo Nurmi in seinen besten Zeiten, zum nächsten Briefkasten. Spurt zurück an den Roulette-Tisch. Der Jogger drehte an einem Abend gleich mehrere Runden.
Oft jedoch musste er Route und Richtung ändern, atemlos das Hauptpostamt am Bahnhof ansteuern. Dort verlangte »Nurmi« mit heraushängender Zunge die unverzügliche Herausgabe seiner Briefe: »Ich habe nichts mehr zum Setzen. Geben Sie mir wenigstens etwas Geld für ein Taxi«.
Als Deutschlands größter Viehdieb wurde der »Spielbank-König« von Bad Neuenahr entlarvt. Der Düsseldorfer Metzger Albert R. stiebitzte nachts auf den zwischen Köln und Lübeck über 500 Rinder. Er verdiente an den geschlachteten Tieren 1,2 Millionen Mark. Dann wurde das Casino für den Fleischer zur Schlachtbank. Es saugte den größten Teil seiner Beute-Züge auf.
Die tragischsten »Rekorde« aus dem Milieu der zumeist falschen Hoffnungen: 5000 Menschen befanden sich im MGM-Casino-Hotel von Las Vegas, als am 21. November 1980, sieben Uhr früh Ortszeit, durch einen Kurzschluß ein schreckliches Feuer ausbrach. In der 2300-Betten-Burg (26 Stockwerke hoch) starben an diesem Freitag 87 Wochenend-Gäste. 700 Wüsten-Pilger erlitten Verletzungen.
Feuer im MGM
Im MGM-Grandhotel am Strip, 1973 für 100 Millionen Dollar erbaut, hatten die Feuerwarnanlage und das automatische Löschsystem versagt. Die Krankenhäuser des Disneylands für Erwachsene waren auf ein solches Inferno überhaupt nicht vorbereitet. Lastwagen transportierten die Leichen ab. Die Quintessenz aus Schlamperei und mangelnder Vorsorge: In Las Vegas amüsiert man sich. In diesem Casino-Schlaraffenland stirbt man nicht. Knapp drei Monate nach der MGM-Katastrophe loderten gleich an drei verschiedenen Stellen des 30-stökkigen Hilton-Hotels (2783 Zimmer) die Flammen. Es war 20 Uhr Ortszeit, am 10. Februar 1981. Die Sängerin Natalie Cole, Tochter von Nat »King« Cole, wartete im Ballsaal auf ihren Auftritt und erlitt eine leichte Rauchgasvergiftung. Die allabendliche Show wurde mitten in der Darbietung der Tänzerin Juliet Prowse unterbrochen.
Der Hauptbrand breitete sich von der achten Etage mit rasender Geschwindigkeit durch Treppenhäuser und Fahrstuhlschächte aus. In panischer Angst versuchten Hotelgäste, sich mit aneinandergeknoteten Bettlaken aus den Fenstern abzuseilen. Ein Mann sprang in die Tiefe, um sich zu retten. Er stürzte in den Tod. Zu diesem Zeitpunkt waren im Casino noch klickende Würfel und kreisende Kugeln zu hören, das »Rrscht« beim Mischen der Blackjack-Karten. Diese Geräusche vermischten sich mit Panikgeschrei aus den oberen Stockwerken, dem Bersten und Klirren von Glas, den kreischenden Propellern der Rettungshubschrauber. Das Hilton-Personal hatte Mühe, hartnäckige Zocker ins Freie zu schaffen. Die Bilanz dieser Tragödie, die durch Brandstiftung
ausgelöst wurde: Acht Tote und 242 Verletzte. Die Casino-Metropole hat sich von ihrer kriminellen Vergangenheit leider nicht ganz gelöst. Die Herrschaft des Mafia-Ablegers Cosa Nostra hinterlässt (Brand-)Spuren.